Musikalische Früherziehung spielt eine entscheidende Rolle in der ganzheitlichen Entwicklung von Kindern. Die frühe Beschäftigung mit Musik bietet jungen Menschen zahlreiche Vorteile – von der Förderung kognitiver Fähigkeiten bis hin zur Stärkung sozialer Kompetenzen. Welche musikalischen Fähigkeiten sich bereits in den ersten Lebensjahren entwickeln und wie musikalische Früherziehung dazu beiträgt, dass Ihr Kind sein volles Potenzial entfaltet, erfahren Sie in diesem Artikel.

Musikalische Entwicklung in den ersten Lebensjahren

Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Entwicklung von Musikalität bereits im Mutterleib beginnt. Sie setzt sich über Prozesse der Enkulturation, also das Hineinwachsen in die eigene Kultur und Gesellschaft, und über musikalische Bildung fort. Bereits im 4. bis 5. Monat der Schwangerschaft ist das Innenohr des Ungeborenen entwickelt und kann akustische Signale wahrnehmen. Ab dem 5. Monat wird das Gehör allmählich funktionsfähig. Darmgeräusche dominieren, aber auch die Stimme der eigenen Mutter kann durchdringen.

Musikalische Fähigkeiten entwickeln sich bereits im Mutterleib.

Musikalische Fähigkeiten entwickeln sich bereits im Mutterleib. Foto: cottonbro studio (Pexels)

Bereits in den ersten Lebensmonaten nach der Geburt suchen und initiieren Säuglinge aktiv musikalische Interaktionen mit Bezugspersonen und Objekten in ihrer Umgebung. Dahinter vermuten Forscher’innen, dass Musik generell eine evolutionäre Funktion erfüllt, indem sie Eltern hilft, eine Bindung zu ihren Babys aufzubauen und ihre Emotionen zu regulieren. Die Wahrnehmung folgender musikalischer Merkmale entwickelt sich kontinuierlich:

  • Bis 1. Lebensjahr: Säuglinge bilden eine Sensibilität für relative Tonhöhen und melodische Konturen aus. Zudem nehmen sie Feinheiten der eigenen Musikkultur einschließlich musikalischer Rhythmen wahr.
  • 1. bis 3. Lebensjahr: Ab dem ersten Lebensjahr drücken sich Kinder zunehmend musikalisch aus, indem sie sich rudimentär zu Musik bewegen. Sie differenzieren bei ihren Lautäußerungen zwischen Sprechen und Singen. Der frühe Gesang ist von instabilen Tonhöhen, engem Stimmumfang und ungenauen Intervallen bestimmt.
  • 3. bis 4. Lebensjahr: Der kindliche Gesang wird immer anspruchsvoller. Kinder können Liedfragmente oder ganze Lieder wiedergeben. Auch das synchrone Trommeln mit rhythmischen Mustern kann von Kindern ab vier Jahren erlernt werden.
  • Ab dem 4. Lebensjahr: Die Sensibilität für Harmonien bildet sich allmählich heraus. Die Entwicklung der Gesangsfähigkeit ist bei Achtjährigen weitgehend abgeschlossen.

Welche Vorteile bringt musikalische Früherziehung?

Musikalische Früherziehung kann die Entwicklung eines Kindes in vielerlei Hinsicht erweitern und bereichern. Zahlreiche Studien haben die Transfereffekte von musikalischer Früherziehung zu nicht-musikalischen Fähigkeiten festgestellt:

  • Kognitive Entwicklung: Musik kann dazu beitragen, das Gedächtnis, die Konzentration und die Problemlösungs-Fähigkeiten Ihres Kindes zu verbessern. So schneiden musikalisch ausgebildete Personen in vielen kognitiven Tests tendenziell besser ab als Nicht-Musiker’innen.
  • Emotionale Entwicklung: Musik bietet Kindern eine kreative und sichere Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten. Costa-Giomi (2004) fand heraus, dass Kinder nach dreijährigem Klavierunterricht ein höheres Selbstwertgefühl hatten als Kinder ohne Klavierunterricht.
  • Sprachentwicklung: Das Hören von Musik und das Singen von Liedern regt die Aktivität beider Gehirnhälften an und kann die Sprachentwicklung Ihres Kindes unterstützen, indem es den Wortschatz erweitert und das Sprachverständnis fördert.
  • Motorische Fähigkeiten: Singen, tanzen und Musikinstrumente spielen kann die Feinmotorik und Koordination Ihres Kindes fördern.
  • Soziale Kompetenzen: Das gemeinsame Musizieren in einer Gruppe kann dabei helfen, Kommunikation, Teamwork und Zusammenarbeit zu erlernen. Außerdem kann musikalische Aktivität Empathie und prosoziales Verhalten fördern (Schellenberg et al., 2015).
  • Akademische Leistungen: Musikalische Fähigkeiten sind mit besseren Lesefähigkeiten verbunden. Kinder, die sich viel mit Musik beschäftigen, zeigen oft gute schulische Leistungen.
Musikalische Früherziehung als wesentlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklung

Musikalische Früherziehung als wesentlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Foto: Ksenia Chernaya (Pexels)

Zusammenfassend ist musikalische Früherziehung ein wesentlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklung und bietet eine Vielzahl von Vorteilen für Kinder jeden Alters. Obwohl Transfereffekte stark sein können, wenn sich Kinder früh, viel und bewusst musizieren, sollte es bei der musikalischen Früherziehung in erster Linie um die Freude an der Musik selbst gehen. Dass es allerdings nie zu spät ist, mit dem Musizieren zu beginnen, zeigt der spannende Bereich Musikgeragogik – Musikpädagogik für Senior’innen.

Quellen

  • Buren, V., Müllensiefen, D., Roeske, T. C. & Degé, F. (2021). What makes babies musical? Conceptions of musicality in infants and toddlers. Frontiers in Psychology, 12, Article 736833. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.736833
  • Črnčec, R., Wilson, S. J. & Prior, M. (2006). The cognitive and academic benefits of music to children: facts and fiction. Educational Psychology, 26(4), 579–594. https://doi.org/10.1080/01443410500342542
  • Sala, G. & Gobet, F. (2020). Cognitive and academic benefits of music training with children: A multilevel meta-analysis. Memory & Cognition, 48(8), 1429–1441. https://doi.org/10.3758/s13421-020-01060-2