Kirchentonarten haben sich bereits im Mittelalter entwickelt. Wie diese Skalen entstanden sind und welche Tonarten es gibt, erklären wir Ihnen in diesem Artikel. Obwohl die Modi auf den ersten Blick etwas altbacken scheinen, sind sie in Wahrheit noch weit verbreitet. So nutzen Jazzmusiker’innen die Tonleiter zum Improvisieren. Auch können Sie melodische Zusammenhänge in ihrer Musikanalyse mit den Kirchentonleitern erklären, oder Ihrer eigenen Musik einen mittelalterlichen Anstrich verpassen.
Wie sind die Kirchentonarten entstanden?
Die sieben Kirchentonarten entwickelten sich bereits unter den Musiktheoretikern des frühen Mittelalters. Heute sind sie auch unter dem lateinischen Begriff der unterschiedlichen Modi (selten auch Toni) bekannt, was bereits im Mittelalter als Synonym für Tonarten verwendet wurde. Dennoch nutzten die mittelalterlichen Musiktheoretiker’innen das Wort auch für andere Konzepte, wodurch hier immer auf die richtige Bedeutung zu achten ist.
Im 9. Jahrhundert versuchten sich verschiedene Musiktheoretiker’innen daran, die Tonhöhen der liturgischen gregorianischen Gesänge in Verbindung mit der Systema teleion der klassisch-antiken Musiktheorie festzulegen. So legte der oder die anonyme Autor’in im Traktat Alia musica acht Modi fest, die er oder sie nach griechischen Völkern benannte. Von diesen acht bestehen heute die Modi dorisch, phrygisch, lydisch und mixolydisch in unseren Kirchentonarten.
Die beiden Kirchentonarten ionisch und äolisch erhielten ihren Namen erst während der Renaissance. Sie wurden jedoch bereits im Mittelalter ohne die entsprechenden Namen verwendet. Beschrieben wurden sie unter anderem von dem Musiktheoretiker Glearan. Die lokrische Kirchentonleiter wurde ebenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt und ist für das Mittelalter weder in musiktheoretischen Traktaten noch in der musikpraktischen Anwendung belegt.
Detailliertere Informationen zur historischen Entstehung der Kirchentonarten können Sie im Artikel zu Modi im MGG finden.
Wie sind die einzelnen Modi aufgebaut?
Die einzelnen Modi unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Abfolge von Halb- und Ganztonschritten. An welcher Stelle ein Halbton- oder ein Ganztonschritt stattfindet, lässt sich gut mit der C-Dur-Tonleiter und einem Merksatz herleiten, der wir Ihnen weiter unten verraten. Betrachtet man die C-Dur-Tonleiter, kann hier jedem Ton eine Kirchentonart zugeordnet werden. Diese wollen wir uns nun im Detail von C beginnend anschauen und anhören.
Ionische Tonleiter – Ton C
Die ionische Tonleiter entspricht in ihrer Abfolge aus Halb- und Ganztonschritten genau der C-Dur-Tonleiter. Halbtonschritte befinden sich zwischen dem dritten und vierten Ton, sowie zwischen dem siebten und achten Ton.
Dorische Tonleiter – Ton D
Betrachtet man die C-Dur-Tonleiter von ihrem zweiten Ton aufsteigend, so kann man daraus die entsprechenden Tonschritte für die dorische Tonleiter ableiten. Neben Ganztonschritten gibt es hier zwei Halbtonschritte zwischen dem zweiten und dritten Ton und dem sechsten und siebten Ton. Sie entspricht damit zu großen Teilen einer natürlichen Moll-Tonleiter. Im Unterschied zu dieser besitzt sie jedoch das Intervall einer großen Sexte (bei der Moll-Tonleiter ist es eine kleine Sexte).
Phrygische Tonleiter – Ton E
Die phrygische Tonleiter weist jeweils einen Halbtonschritt zwischen dem ersten und dem zweiten Ton, sowie dem fünften und dem sechsten Ton auf. In der C-Dur-Tonleiter kann man sie vom Ton E beginnend finden. Zu berücksichtigen ist hier, dass auch die lokrische Tonleiter mit einem Halbtonschritt zwischen dem ersten und zweiten Ton beginnt. Unterscheiden können Sie die beiden Tonleitern am zweiten Halbtonschritt. Im Vergleich zu Dur-Moll-Tonalität ähnelt die phrygische Tonleiter einer natürlichen Moll-Tonleiter. Im Unterschied zu dieser beginnt sie jedoch mit einer kleinen Sekunde.
Lydische Tonleiter – Ton F
Ab dem Ton F aufwärts entwickelt sich die lydische Tonleiter in C-Dur. Die zwei Halbtonschritte befinden sich hierbei zwischen dem vierten und fünften Ton und zwischen dem siebten und achten Ton. Charakteristisch für diese Tonart ist die übermäßige Quarte zwischen dem ersten und vierten Ton.
Mixolydische Tonleiter – Ton G
Die Tonschritte der mixolydischen Tonleiter erschließen sich, wenn Sie die Tonabfolge von g bis g‘ in der C-Dur-Tonleiter betrachten. Dabei liegen die zwei charakteristischen Halbtonschritte zwischen dem dritten und vierten Ton und zwischen dem sechsten und siebten Ton. Die mixolydische Tonleiter entspricht so in ihrem Anfang einer Dur-Tonleiter. Im Gegensatz zu dieser beinhaltet sie jedoch keine große, sondern eine kleine Septime.
Äolische Tonleiter – Ton A
Die äolische Tonleiter entspricht der natürlichen Moll-Tonleiter. Sie hat einen Halbtonschritt zwischen dem zweiten und dritten Ton und zwischen dem fünften und sechsten Ton. Den ersten Halbtonschritt teilt sich die äolische Tonleiter mit der dorischen Tonleiter. Es ist die Position des zweiten Halbtonschritts, durch den Sie die Beiden unterscheiden können.
Lokrische Tonleiter – Ton H
Die Tonleiter mit einem Halbtonschritt zwischen dem ersten und zweiten sowie zwischen dem vierten und fünften Ton. Insbesondere der fünfte Ton ist sehr prägend für diesen Modus. Denn im Gegensatz zu allen anderen Kirchentonarten enthält die lokrische Tonleiter hier die verminderte Quinte. Da sie die einzige Skala mit einem Tritonus (h-f‘) ist, wurde sie früher bewusst gemieden, kann aber aus heutiger Sicht eine interessante Spannung erzeugen.
Merksätze für die Kirchentonarten und ihre Verwendung
Es gibt verschiedene Merksätze, um sich die Abfolge der Kirchentonarten einzuprägen. Aus den folgenden Merksätzen können Sie anhand der Anfangsbuchstaben die Abfolge der Modi in einer Dur-Tonleiter herleiten:
- Von ionisch (ionian) bis lokrisch (locrian): Idon’t play lyke Miles and Lewis.
- Der folgende deutsche Merksatz beginnt erst mit der dorischen Tonleiter. Die ionische Tonleiter ist hier nicht im Ersten, sondern mit dem letzten Wort („Ironie“) angedeutet: Der Pfarrer liest alles mit logischer Ironie.
- Laden Sie sich als Spickzettel die Beispiele zu den Krichentonarten als PDF herunter.
Die Anwendung der Merksätze
Ziehen Sie die Dur-Tonleiter als Hilfsmittel hinzu, um sich die Merksätze und die Bedeutung der Kirchentonarten einzuprägen. So müssen Sie die Positionen der Halbtonschritte für die einzelnen Modi nicht auswendig lernen. Vervollständigen Sie zur Bestimmung einer Kirchentonart die vorgegebene Töne so weit nach unten, bis Sie eine Dur-Tonart mit den entsprechenden Halbtonschritten erhalten. Von dem Grundton dieser Dur-Tonleiter zählen Sie nun, an welcher Position die zu bestimmende Tonart beginnt. Anhand dieser Zahl können Sie mit dem entsprechenden Wort die Kirchentonart richtig bestimmen.
Neben verschiedenen Skalen gibt es auch unterschiedliche Stimmungssysteme, die Sie mithilfe der Cent-Skala vergleichen können.