Neue Musik, insbesondere die zeitgenössische klassische Musik, hat sich im 20. und 21. Jahrhundert stark weiterentwickelt und dabei zahlreiche innovative Wege eingeschlagen. Auf der Grundlage klassischer Traditionen, aber mit einem klaren Fokus auf neuen Techniken, Klangquellen und experimentellen Ansätzen, hat sie sich in vielfältige Richtungen entfaltet. So prägen der Bruch mit der Tonalität sowie die Integration von Elektronik, Zufallsmomenten und neuen Technologien diese Ära nachhaltig. Gleichzeitig vereint die zeitgenössische klassische Musik zahlreiche Stile, die von unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen und oft hoher Komplexität geprägt sind. In diesem Artikel erhalten Sie daher einen Überblick über die wichtigsten Gattungen, Strömungen und Komponisten.

Impressionismus und Expressionismus

Der musikalische Impressionismus wandte sich von der traditionellen Harmonik und Struktur der Klassik und Romantik ab. Stattdessen rückten neue Klangfarben, Stimmungen und Atmosphären in den Vordergrund. Klare Melodien und ein harmonisches Fortschreiten waren weniger wichtig. Im Gegenzug entstanden feine, nuancierte Klangbilder, die den unmittelbaren Eindruck betonten. Ein Beispiel dafür ist Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune. Die fließenden Harmonien und ungewöhnlichen Tonleitern (etwa die Ganztonleiter) erzeugen eine schwebende, traumhafte Atmosphäre. Diese Musik steht im Gegensatz zur dramatischen, ausdrucksstarken Musik des späten 19. Jahrhunderts. Somit gilt der Impressionismus oft als Reaktion auf den überladenen Stil der Spätromantik. Anstatt Emotionen stark zu betonen, suchten die Impressionisten nach einer subtilen und introspektiven Ausdrucksweise. Bekannte Komponisten des Impressionismus sind:

Moderne Musik wird nicht häufig live in Konzerthäusern gespielt.

Neue Musik wird seltener auf Bühnen gespielt als Klassik. Foto: cottonbro studio via Pexels.

  • Claude Debussy
  • Maurice Ravel
  • Alexander Skrjabin
Der musikalische Expressionismus stellt eine radikale Abkehr von traditionellen musikalischen Normen dar. Im Mittelpunkt stehen extreme Emotionen, Dissonanzen und der Bruch mit harmonischen und strukturellen Konventionen. Dadurch wurden die gesellschaftlichen Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts in der Musik widergespiegelt und intensive Gefühle wie Angst, Verzweiflung und Isolation ausgedrückt.

Die Atonalität, die von Schönberg und seinen Schülern entwickelt wurde, verstärkte die emotionale Freiheit und Unberechenbarkeit dieser Werke. Stücke wie Schönbergs Erwartung zeigen, wie musikalische Dissonanz und Fragmentierung genutzt werden, um innere Angst und Verwirrung zu vermitteln. Des Weiteren versuchte der musikalische Expressionismus, die menschliche Psyche und das Unterbewusstsein auf neue Weise klanglich darzustellen (ähnlich dem Expressionismus in der bildenden Kunst). Somit wurde der Weg für die Neue Musik des 20. Jahrhunderts vorbereitet. Bekannte Komponisten des Expressionismus sind:
  • Arnold Schönberg
  • Alban Berg
  • Anton Webern
 
Klaviernoten französischer Komponisten.

Klavierstücke des Impressionismus sind in Musikschulen besonders beliebt. Foto: Lasse Hemsing.

Serialismus und Aleatorik

Der musikalische Serialismus gilt als eine der radikalsten Entwicklungen der Neuen Musik. Allerdings entstand dieser aus der Notwendigkeit heraus, nach dem Zusammenbruch der Tonalität eine neue Ordnung zu schaffen. So basiert die Zwölftonmusik, entwickelt von Arnold Schönberg, auf der gleichberechtigten Verwendung aller zwölf Töne einer Oktave in einer festgelegten Reihenfolge, die als „Serie“ oder „Reihe“ bezeichnet wird. Diese Serie wiederum dient als Grundlage für Melodien, Harmonien und andere Strukturen und schafft dadurch ein neues kompositorisches Regelwerk.

Serialismus war mehr als nur eine Technik; er bot eine Möglichkeit, Ordnung und Kontrolle in die Neue Musik zu bringen, während die Freiheit der Atonalität erhalten blieb. Der Stil wurde um weitere musikalische Parameter wie Rhythmus und Klangfarbe erweitert. Obwohl die Musik oft als intellektuell und schwer zugänglich galt, war der Serialismus ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung der modernen Musik. Das 1955 von Pierre Boulez geschriebene Le Marteau sans maître gilt als eines der Schlüsselwerke der seriellen Musik und steht für die radikale Weiterentwicklung der Zwölftontechnik. Bekannte Komponisten des Serialismus sind:
  • Anton Webern
  • Pierre Boulez
  • Karlheinz Stockhausen
 
Analoge und digitale Synthesizer und NIMEs im Tonstudio

Im 20. Jahrhundert nutzten klassische Komponist’innen auch Synthesizer und künstliche Intelligenz. Foto: Roman Stracke

Aleatorische Musik integriert Zufallselemente in die Komposition und gibt damit teilweise die Kontrolle der Komponist:innen auf. Bereits Mozart nutzte Zufallsprinzipien, etwa im berühmten Würfelwalzer. Das zeigt, dass Stochastik schon lange eine Rolle in der Musik spielt. Die aleatorische Technik war eine Reaktion auf den strengen Serialismus. Komponisten wie John Cage experimentierten mit Zufallsoperationen, um den kreativen Prozess freier zu gestalten. Ein bekanntes Beispiel ist Cages 4’33“, bei dem Pausen und Umgebungsgeräusche die „Musik“ bilden. Auch Komponisten wie Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez nutzten aleatorische Techniken, indem sie Zufall und Kontrolle kombinierten. Diese Musik veränderte das Verständnis von Komposition und Aufführung grundlegend und wurde zu einer wichtigen Strömung der modernen Musik.

Neue Musik: Minimal Music

Der musikalische Minimalismus, der in den 1960er Jahren entstand, ist eine wichtige Bewegung für die Neue Musik. Er zeichnet sich durch Wiederholung, Reduktion und schrittweise Veränderung aus. Statt komplexer Harmonien und Strukturen konzentriert sich der Minimalismus auf einfache, sich wiederholende Muster und minimale Variationen, um eine hypnotische, meditative Wirkung zu erzielen. Steve Reichs Music for 18 Musicians ist ein Beispiel, bei dem wiederholende rhythmische und harmonische Muster durch minimale Veränderungen besonders intensiv und komplex wirken. Der Minimalismus stellte eine Reaktion auf die Komplexität des Serialismus und der aleatorischen Musik dar und brachte eine neue Einfachheit in die Neue Musik. Darüber hinaus beeinflusste er nicht nur die zeitgenössische Musikszene, sondern auch Pop- und Filmmusik und veränderte das Verhältnis von Zeit und Klang. Bekannte Komponisten des Minimalismus sind:

  • Steve Reich
  • Philip Glass
  • Terry Riley

Abgesehen von diesen hier kurz vorgestellten Gattungen der Neuen Musik gibt es noch zahlreiche weitere, beispielsweise die Wiener Schule oder den Neoklassizismus. Die Atonalität wurde häufig in diesem Artikel nebenbei erwähnt, hätte aber auch einen eigenen Absatz verdient. Falls Sie sich weiterführend für Klassik interessieren, empfehle ich Ihnen unseren Artikel über französische Komponist’innen. Falls Sie Lust auf etwas ganz anderes habe, lege ich Ihnen diesen Artikel über Symphonic Metal nahe.

Quellen für Neue Musik

Bader, R. (2021). How Musik Works. A Physical Culture Theory.Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-67155-6

Ross, A. (2013). The rest is noise. Das 20. Jahrhundert hören. Piper.

Schmidt, F. (1994). Hat man Töne? Portraits bedeutender Musiker unserer Zeit. Kindler.

Ziemer, T. (2023). Räumliche Konzepte der Musik. In: Psychoakustische Schallfeldsynthese für Musik. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-031-26863-2_2