Ein Ohrwurm ist ein fesselndes Phänomen. In der kognitiven Musik-Psychologie wird er auch als „Involuntary Musical Imagery“ (INMI) bezeichnet und bezieht sich auf Melodien, die sich hartnäckig im Gedächtnis wiederholen, ohne dass sie bewusst steuerbar sind. Hier erfahren Sie mehr über die faszinierende Wissenschaft hinter den Ohrwürmern — warum sich bestimmte Songs in unseren Gedanken festsetzen und wie man sie wieder loswird.

Welche Merkmale hat ein Ohrwurm?

Viele Menschen erleben unfreiwillige musikalische Bilder (INMI) oder Ohrwürmer. Diese umfassen die Wahrnehmung spontaner, musikalischer Klänge in Abwesenheit einer externen Quelle. Musik in Ihrem Kopf. Dabei handelt es sich um Fragmente von Liedern, Jingles oder Instrumentalstücken. Die wichtigsten Merkmale von Ohrwürmern sind:

  1. Wiederholung: Ohrwürmer zeichnen sich durch ein wiederkehrendes musikalisches Muster aus. Bestimmte Melodien oder Songtexte werden im Gehirn in einer Dauerschleife abgespielt
  2. Diversität: INMI-Episoden sind nicht auf ein bestimmtes Musikgenre beschränkt und variieren von Person zu Person
  3. Unfreiwilligkeit: Ein Ohrwurm tritt meist unbeabsichtigt auf und Betroffene haben kaum Kontrolle über seinen Eintritt oder seine Dauer

Mein Ohrwurm nicht gleich dein Ohrwurm? 

Ein Ohrwurm ist ein sehr individuelles Erlebnis, das bei manchen Menschen häufiger auftritt als bei anderen. Nach Liikkanen und Jakubowksi (2020) beeinflussen folgende Faktoren das Auftreten eines Ohrwurms zusätzlich:

  • Geschlecht
  • Alter
  • Persönlichkeit
  • Musikalische Ausbildung

Wie werden Sie Ohrwürmer wieder los?

Williamson et al. (2014) postulieren drei Hauptaspekte beim Umgang mit unfreiwilligen musikalischen Bildern:

  1. Akzeptieren: Üben Sie Achtsamkeit, um den Ohrwurm als solchen zu erkennen, ohne sich darin zu verfangen. Manchmal bleiben Ohrwürmer bestehen, weil Ihr Gehirn nach einem Abschluss sucht. Das Anhören des gesamten Liedes kann Ihnen dabei helfen, weiterzudenken
  2. Beschäftigen: Beschäftigen Sie sich mit einer geistig anspruchsvollen Aufgabe. Die Konzentration auf eine Aufgabe kann die Aufmerksamkeit von Ohrwürmern ablenken
  3. Ablenken: Lenken Sie sich mit „Cure Songs“ ab — Lieder, die man stattdessen hört, um den Ohrwurm durch eine andere Melodie zu ersetzen

Die Wissenschaft dahinter — Neuronale Mechanismen

Ohrwürmer haben eine komplexe neuronale Grundlage, an der mehrere Hirnregionen beteiligt sind, darunter auch die phonologische Schleife. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitsgedächtnisses, ein System, das vorübergehende Informationen speichert und verarbeitet. Das Modell von Baddeley und Hitch (1974) zum Arbeitsgedächtnis stellt einen grundlegenden Rahmen für das Verständnis der kognitiven Prozesse dar, die ablaufen, wenn wir auf Informationen stoßen und mit ihnen interagieren:

Modell zum Arbeitsgedächtnis zur Erklärung vom Ohrwurm in der phonologischen Schleife

Der Ohrwurm in der phonologischen Schleife. Modell zum Arbeitsgedächtnis nach Baddeley und Hitch (1994) Grafik: Melissa Steinbarth

Hierbei sind die phonologische Schleife und die zentrale Exekutive zwei Schlüsselkomponenten, die zusammenarbeiten, um kognitive Funktionen zu unterstützen. Die phonologische Schleife speichert und verarbeitet vorübergehende auditive und verbale Informationen, während die zentrale Exekutive als Kontrollzentrum für das Arbeitsgedächtnis fungiert. In Anlehnung an das Modell von Baddeley und Hitch besteht der Mechanismus hinter dem Ohrwurm aus zwei wesentlichen Schritten:

  • Schritt 1: Die mentale Voraussetzung ist ein Zustand des „mind wandering. Das heißt, unsere Aufmerksamkeit ist nicht fokussiert und wir sind mental nicht ausgelastet. Nicht gezielte Informationen wie beispielsweise Melodien werden eher beiläufig aufgenommen und gespeichert
  • Schritt 2: Der gespeicherte Melodieausschnitt geht nicht in das Langzeitgedächtnis über, sondern verbleibt in der phonologischen Schleife im Arbeitsgedächtnis. Dort wird der Reiz repetitiv wiederholt, ohne dass die zentrale Exekutive als übergeordnete Instanz den Prozess regulieren kann. Der Ohrwurm wird uns nun bewusst

Fazit

Unfreiwillige musikalische Bilder oder Ohrwürmer sind ein faszinierender Aspekt der menschlichen Wahrnehmung. Obwohl die genannten Regionen an der Entwicklung von unfreiwilligen musikalischen Bildern beteiligt sind, ist es wichtig zu beachten, dass die genauen neuronalen und kognitiven Mechanismen aktuell weiter erforscht werden. Das Verständnis der Wissenschaft hinter Ohrwürmern kann Ihnen helfen, mit diesen Melodien im Kopf umzugehen, unabhängig davon, ob Sie sie als angenehme Ablenkung oder als geringfügige Belästigung empfinden.

Wenn Sie mehr über psychoakustische Phänomene erfahren möchten, finden Sie in einem weiteren Artikel Beispiele und Erklärungen zu akustischen Täuschungen

Quellen zum Ohrwurm