Die Stimme aufnehmen ist eine der häufigsten Aufgaben im Home Studio. Ob Vocal Recordings für Ihren eigenen Song oder Sprachaufnahmen für einen Podcast — in diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Ihre Stimme oder die Stimme anderer richtig aufnehmen.

Geschichte der Stimmaufnahme

Die Aufnahme der Stimme hat sich in den letzten 150 Jahren sehr verändert. 1860 nahm der französische Forscher Edouard-Leon Scott mit einem Phonographen die erste Stimme auf: „Au Claire de la Lune“ gesungen von einer Frau. Einer der ersten Aufnahmen von ihm können Sie hier hören:

Thomas Edison schaffte es 17 Jahre später auch und nahm „Mary Had A Little Lamb“ auf. Vereinfacht ausgedrückt funktionieren Phonographen wie folgt:

  1. Phonographen zeichnen auf Tonwalzen auf.
  2. Diese Tonwalzen werden im gleichmäßigen Tempo gedreht.
  3. Ein Schalltrichter bündelt Schall aus der Umgebung.
  4. Am Ende eines Schalltrichters ist eine Membran.
  5. Eine Nadel auf der Membran wird durch Schall ausgelenkt und drückt verschieden tief in die Tonwalze.
  6. Das Tiefenprofil ist die Wellenform: Eine Schallaufnahme
  7. Erst spätere Phonographen waren in der Lage, die Schallaufnehme abzuspielen.
  8. Edouard-Leon Scott hat die oben abgespielte Aufnahme wahrscheinlich nie selber hören können.

Erst 1926, mit der Erfindung des elektrischen Mikrofons, war die Aufnahme ohne einen Trichter und mit einer viel kleineren Membran möglich. Die grundsätzliche Funktionsweise eines Mikrofons hat sich auch in der heutigen Zeit nicht viel geändert. Nur die Art des Speichers ist anders: früher Tonwalzen, dann Schallplatten und Tonbänder und heute digitale Festplatten.

Stimme aufnehmen: Ein Sänger mit Bart und Kopfhörern steht leicht nach oben guckend vor einem silbernen Mikrofon, vor dem ein Popschutz vor steht.

Stimme aufnehmen, mit Pop-Schutz und Kondensatormikrofon. Quelle: Pixelbay

Mikrofon auswählen

Um die Stimme aufzunehmen, wird in der Regel ein elektrisches Mikrofon benutzt. Nehmen Sie die Stimme in einem ruhigen Raum auf (und nicht Live auf einer Bühne), dann bietet sich hier in der Regel ein Kondensatormikrofon an, da diese Art von Mikrofonen etwas mehr Details aufzeichnen. Zudem sind auch die tiefen und hohen Frequenzen besser abgebildet. Für die Aufnahme einer einzelnen Stimme nutzten Sie am besten ein Mikrofon mit einer Nierencharakteristik.

  1. Ein Nierenmikrofon nimmt Schall von vorne deutlich stärker auf als von der Seite oder von hinten.
  2. Je weiter der Einfallswinkel des Schalls nach hinten wandert, desto mehr wird der eintreffende Schall abgeschwächt.
  3. Nierenmikrofone haben einen Nahbesprechungseffekt: Wenn Sie nah am Mikro sind, klingt Ihre Stimme basslastiger.
  4. Auf dem Bild sehen Sie das Polarpattern eines Nierenmikrofons. Es wird immer bei 1000 Hz angegeben und zeigt an, wie viel Abfall an Schall beim jeweiligen Winkel ist. Bei null Grad wird der maximale Schall aufgezeichnet.

 

Stimme aufnehmen mit Nieren-Mikrofon

Stimme aufnehmen mit Kondensatormikrofon Nieren-Charakteristik. Bild: Tim Ziemer

Wenn Sie aber beispielsweise einen Podcast mit zwei Personen aufnehmen wollen, bietet sich auch ein Mikrofon mit der Richtcharakteristik „Acht“ an.

  1. Eine „Acht“ nimmt Schallereignisse vorne und hinten gleichmäßig auf, jedoch nicht von den Seiten.
  2. Die Schalleinfälle an den Seiten werden fast vollständig ausgelöscht.
  3. Achten Sie hier besonders auf die Ausrichtung. Oft zeigt das Herstellerlogo „vorne“ an.
  4. Auf dem Bild sehen Sie das Polarpattern einer „Acht“.
Stimmen aufnehmen mit Achter-Mikrofon

Zwei Stimmen aufnehmen mit Achter-Charakteristik. Bild: Tim Ziemer

Ob Sie nun ein USB Mikrofon oder eins mit XLR Anschluss verwenden, verändert an der Aufnahme grundsätzlich nichts. USB Mikrofone sind einfacher einzurichten (sie können direkt an den Computer angeschlossen werden) und benötigen nicht, wie Mikrofone mit XLR-Anschluss, noch ein Interface oder einen Vorverstärker. Durch den Wegfall von weiterem Equipment kann ein USB Mikrofon die kostengünstigere Lösung für das Aufnehmen der Stimme sein. Hören Sie sich am besten auf den Seiten der Hersteller und Händler Beispiele an. Es gibt schon für circa 100 Euro gute Mikrofone für Ihre ersten Aufnahmen.

Stimme aufnehmen: Vorbereitung

Bevor es zu der Aufnahme kommt, sollten Sie einige Dinge sicherstellen:

  1. Der Raum sollte ruhig sein und möglichst wenig Störgeräusche (wie laufende Klimaanlage oder vorbeifahrende Autos durch ein offenes Fenster) haben.
  2. Vermeiden Sie hallige Räume und Räume, die zu leer sind und ein Echo haben. Wie Sie Ihren Raum akustisch optimieren, können Sie in unserem Artikel Absorber Selber Bauen nachlesen.
  3. Wenn Sie im Sitzen aufnehmen, sorgen Sie dafür, dass Ihr Stuhl nicht quietscht.
  4. Sprudelwasser oder Papier hört man oft in Sprachaufnahmen. Lieber stilles Wasser trinken und Papier vermeiden.
  5. Setzten Sie Kopfhörer auf und sorgen Sie dafür, dass Ihr Computer den Ton nur aus den Kopfhörern wiedergibt.

Stimme aufnehmen: Mikrofon aufstellen

Die Vorbereitungen sind getroffen und Sie sind bereit, die Stimme aufzunehmen.

  1. Stellen Sie das Mikrofon an einem Ort auf, wo Sie möglichst wenig Hall haben. Wenn Ihr Raum zu hallig ist, wird viel Schall von der Wand reflektiert und auch aufgenommen.
  2. Wenn Ihr Raum nicht gut für Audio optimiert ist, stellen Sie das Mikro in Ihren Kleiderschrank oder bauen sich aus Decken oder anderen Baumwollteilen einen kleinen Bereich.
  3. Dies reduziert den Hall auf der Aufnahme.
  4. Stellen Sie einen Popschutz vor das Mikrofon. Ein Popschutz verhindert, dass der hohe Luftstau von „P“- und „B“-Lauten ungehindert auf die Membran trifft. Ohne Popschutz führt dies zu Störgeräuschen und Rumpeln.

Stimme aufnehmen

Schließen Sie Ihr Mikrofon an Ihren Computer an. Um die Stimme nach der Aufnahme auch gut bearbeiten zu können, laden Sie sich eine Digital Audio Workstation (DAW) herunter. Es gibt sowohl kostenpflichtige als auch kostenlose Varianten. Öffnen Sie nun ihre DAW.

  1. Wählen Sie Ihren Audio-Treiber aus. In den meisten Fällen heißt der Audio-Treiber wie Ihr Audio-Interface (bei XLR Mikrofonen) oder wie Ihr USB Mikrofon.
  2. Erstellen Sie eine Spur, wie im linken Bild zu sehen. Wenn in Ihrer DAW die Auswahl zwischen Mono und Stereo besteht, wählen Sie Mono aus.
  3. Stellen Sie die Spur scharf und sagen Sie damit Ihrer DAW, dass Sie aufnehmen wollen. In der Regel ist das ein roter Record Knopf (wie auf dem Bild rechts zu sehen).
  4. Dieser blinkt nach dem Scharfstellen und leuchtet durchgängig bei der Aufnahme.
  5. Sie können jetzt aufnehmen.
Eine Digital Audio Workstation (DAW), die eine Monospur hat, um Vocals Aufzunehmen. Ein roter Pfeil zeigt, wo das Programm scharfgestellt werden muss, sodass die Aufnahme beginnen kann. Nun kann Stimme aufgenommen werden.

Eine DAW (ProTools) mit dem typischen Ort für das Scharfstellen der Aufnahme. Screenshot: Justin T. Niestroj

Der rote Recordknopf einer DAW leuchtet und zeigt, dass eine Aufnahme stattfindet.

Die Spur nimmt auf, da der rote Recordknopf leuchtet. Screenshot: Justin T. Niestroj

 

Wichtig beim Aufnehmen der Stimme

Achten Sie beim Aufnehmen auf folgende Dinge:

  1. Ihr Mund sollte ca. 15 bis 20 cm vom Mikrofon entfernt sein. Eine gute Faustregel ist der gespreizte Abstand zwischen Daumen und kleinem Finger.
  2. Bewegen Sie Ihren Kopf beim Aufnehmen wenig. Sie werden schnell merken, dass man auch kleine Bewegungen auf der Aufnahme hört.
  3. Klingt die Stimme zu basslastig, entfernen Sie sich etwas vom Mikrofon. Besonders bei Mikrofonen mit Nierencharakteristik wird durch den Nahbesprechungseffekt der Bassbereich verstärkt, je näher Sie am Mikrofon sind.

Wenn Sie Ihre eigene Stimme aufnehmen, wird diese auf der Aufnahme anders klingen, als Sie es kennen. Das ist kein Grund zur Sorge. Durch die Vibrationen im Schädel klingt Ihre Stimme für Sie anders, als das Mikrofon es aufnimmt (und wie andere Menschen Sie hören). Je mehr Sie aber aufnehmen, desto normaler wird es für Sie sein. Beispiele für sehr trockene und hallige Aufnahmen können Sie sich in unserem Artikel über den schalltoten Raum anhören.

Quelle

Ziemer, Tim, „Source Width in Music Production. Methods in Stereo, Ambisonics, and Wave Field Synthesis“, in: Albrecht Schneider (Hrsg.):

Studies in Musical Acoustics and Psychoacoustics, Springer. Cham 2017, S. 299–340.