Stimmungen werden von allen Personen genutzt, die ein Instrument stimmen müssen. Im folgenden Artikel erkläre ich Ihnen, was Stimmungen sind und welche Stimmungen als Temperatur bezeichnet werden. Danach beschreibe ich häufig vorkommende Stimmungen der europäischen Musikkultur.

Das sind Stimmung und Temperatur

Stimmung und Temperatur sind sich sehr ähnlich. Beide legen die spielbaren Töne auf einem Instrument fest. Konventionelle europäischen Tonsysteme nutzen bis zu zwölf Töne innerhalb einer Oktave. Es besteht jedoch ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Begriffen Stimmung und Temperatur:

Harfen können verschiedene Stimmungen aufweisen.

Harfenspieler’innen spannen jede Saite so straff, bis alle Tonhöhen der gewünschten Stimmung entsprechen. Foto: drpainmm auf Pixabay

  1. Die Stimmung bezeichnet die Festlegung auf Intervalle einer Tonleiter
  2. Die Temperatur beschreibt Abweichungen von dieser Stimmung

Stimmungen

Der Begriff Stimmung ist die grundsätzliche Festlegung von Grundfrequenzen einzelner Töne nach einem zuvor definierten System. Ein musikalischer Ton besteht aus dieser Grundfrequenz und weitere Frequenzen. Dabei kann die Stimmung sowohl einige als auch alle spielbaren Töne eines Instrumentes betreffen. So bringen Sie auf einer Geige beispielsweise die fünf Leersaiten in eine bestimmte Stimmung. Die Grundfrequenzen der anderen Töne definieren Sie durch die Positionierung Ihrer Finger. Auf Tasteninstrumenten, wie dem Klavier, stimmen Klavierstimmer’innen jede spielbare Tonhöhe.

Temperaturen

Bei den Temperaturen (mitunter auch als „Temperierung“ oder „Temperament“ bezeichnet) handelt es sich um eine Form der Stimmung, die jedoch ein spezifisches Ziel verfolgt: Durch die Veränderung einzelner Töne soll die Klangqualität (im Sinne der Konsonanz) bestimmter Intervalle verbessert werden. Dies geht oft damit einher, dass manche Intervalle oder auch einzelne Akkorde mehr Rauhigkeit aufweisen, als andere. Bei den Temperaturen unterscheiden sich regelmäßige von unregelmäßigen Temperaturen:

  • regelmäßige Temperaturen: Hier werden alle für die Temperatur veränderten Töne um einen gleichen Wert angepasst.
  • unregelmäßige Temperaturen: Bei den unregelmäßigen Temperaturen wird Wert darauf gelegt, dass die Akkorde rund um eine Tonart besonders rein klingen. Deshalb werden hier der Tonart nahe stehende Akkorde mit einer geringeren Schwebung gestimmt als weit entfernte Akkorde.

So ist die Temperatur (in Bezug auf die Töne) eines Instrumentes immer auch eine Stimmung. Eine Stimmung ist jedoch nur dann eine Temperatur, wenn ihr Ziel ist, die Klangqualität einzelner Intervalle zu verbessern.

Verschiedene Stimmungen kurz erklärt

Wie bereits zuvor beschrieben, legen Stimmungen die Tonhöhen eines Instrumentes genau fest. Dabei wurden im Verlauf der Musikgeschichte unterschiedliche Systeme entwickelt, von denen im Folgenden die wichtigsten erklärt werden sollen. Grundlage der Stimmungen ist dabei immer das Zwölftonsystem der europäischen Musik. So stellte sich für die Entwicklung neuer Stimmungssysteme immer die Frage, wie die zwölf Töne einer Oktave für einen guten Klang des Instrumentes genau zu verteilen sind. Diese Frage wurde in den Systemen unterschiedlich beantwortet:

Pythagoreische Stimmung

Die pythagoreische Stimmung geht auf die musiktheoretischen Schule um den bekannten Mathematiker Pythagoras zurück. Dieser entwickelte die Stimmung auf Grundlage des musiktheoretischen Werkes De institutione musica (ca. 500–507) des Musiktheoretikers Boethius. Um den ganzen zwölftonigen Raum der Oktave zu erschließen, werden elf aufeinander folgende reine Quinten gestimmt. Die letzte, zwölfte Quinte ist dabei jedoch nicht mehr rein gestimmt, sondern um das pythagoreische Komma von 23,5 Cent verstimmt. Die Cent-Rechnung erklären wir Ihnen in einem eigenen Artikel. Aufgrund der großen Verstimmtheit wurde diese Quinte von den damaligen Musiktheoretiker’innen als Wolfsquinte bezeichnet.

Mitteltönige Temperatur

Die mitteltönige Temperatur entwickelte sich im 15. Jahrhundert, als auch die Terz und die Sexte als reine Intervalle akzeptiert wurden. Musiktheoretiker’innen der Zeit entwickelten daher Temperaturen, die besonders reine Terzen und Sexten hervorbringen.

Die mitteltönige Temperatur wird so auf folgenden Grundlagen gestimmt: Werden vier aufeinanderfolgende reine Quinten (C-G-D-A-E) gestimmt, so kann mit diesen Tönen auch das Intervall der großen Terz (C-E) erzeugt werden. Diese Terz ist jedoch um das syntonische Komma (ca. 21,5 Cent) größer als eine reine große Terz. Aus diesem Grund werden die ersten vier Quinten der mitteltönigen Temperatur um ein Viertel des syntonischen Terzkommas verkleinert. Dabei entsteht jedoch auch hier eine Quinte, die durch ihre starke Schwebung eine Wolfsquinte ist. Jedoch bringt die mitteltönige Stimmung sehr wohlklingende Terzen und Sexten hervor.

Wohltemperierte Stimmungen

Der Begriff der wohltemperierten Stimmung geht auf den deutschen, barocken Musiktheoretiker Andreas Werckmeister zurück. Dieser entwickelte seine Temperaturen mit dem Ziel, alle zwölf Tonarten des Quintenzirkels mit einer Stimmung spielen zu können.  Mit diesem Ziel stellte sich Werckmeister auch der bis dato vorherrschenden mitteltönigen Stimmung entgegen. So störte sich der Musiktheoretiker an der sogenannten Wolfsquinte dieser Temperatur und entwickelte Lösungen, um die Wolfsquinte zu umgehen. Das wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach kann als Anspielung auf die von Werckmeister entwickelte Stimmung gesehen werden. So handelt es sich bei den dort enthaltenen Stücken um 24 Präludien und Fugen, die chromatisch alle 12 Tonarten durchlaufen.

Kirnberger Stimmungen

Ein weiteres Beispiel für die wohltemperierten Stimmungen sind die von Johann Philipp Kirnberger entwickelten Systeme. Er versuchte mit seinen Stimmungen, Bachs Stimmpraxis wiederzubeleben. In den Stimmungen von Kirnberg sind alle Tonarten relativ gut spielbar. Dabei weist jede Tonart einen individuellen Klangcharakter auf, da die Größe der Intervalle je nach gespielter Tonart minimal variiert.

Kirnberger schlug vor, für das Stimmen von Tasteninstrumenten zuerst elf der zwölf Töne der diatonischen Tonleiter in Quinten zu stimmen. Alle anderen Oktaven der zwölf gestimmten Töne sollten dann in reinen Oktaven gestimmt werden (Kirnberger I). Es entsteht so eine Stimmung, die viele reine Terzen, reine Quinten und reine Oktaven aufweist. Jedoch besteht hier auch eine Quinte, die um das syntonische Komma verkleinert ist. Für dieses Problem schlug Kirnberger zwei Lösungsmöglichkeiten vor, die heute als die Stimmungen Kirnberger II und Kirnberger III bezeichnet werden. Beide Lösungsvorschläge haben zum Ziel, die durch das syntonische Komma verursachte Schwebung der letzten Quinte zu verkleinern.

  • Kirnberger II: Bei dieser Stimmung wird jeweils die Hälfte des syntonischen Kommas auf die ersten beiden zu stimmenden Quinten verteilt. So wird die sich aus der Schwebung ergebende Dissonanz mancher Intervalle verringert.
  • Kirnberger III: Bei der Stimmung Kirnberger III wird je ein Viertel des syntonischen Kommas auf die ersten vier Quinten der Stimmung verteilt.

Gleichstufige Stimmung

Die gleichstufigen Stimmung teilt die Oktave in 12 gleich große Halbtonschritte. Dabei ist jeder Halbtonschritt um 1/12 des pythagoreischen Kommas verstimmt. Bei dieser Stimmung entspricht ein Halbtonschritt dann 100 Cent. Die gleichstufige Stimmung hat sich in der heutigen europäischen Musik durchgesetzt. So werden beispielsweise die Klaviere meist in diese Stimmung gebracht. Durch die gleichstufige Verteilung des Kommas verlieren die Tonarten jedoch ihren spezifischen Charakter im Vergleich zu anderen Stimmungen. Grund dafür ist, dass sämtliche benachbarten Töne dasselbe Intervall aufweisen, was bei keiner anderen Stimmung der Fall ist.

Wahrscheinlich berechnete Chu Tsay-yü aus China im Jahr 1584 erstmals eine gleichstufige Stimmung. Erst später wurde die gleichstufige Stimmung durch J. J. Amiot in Europa bekannt, welcher über ihre Verwendung in der chinesischen Musik 1779 berichtete. In der weiteren Geschichte versuchten sich verschiedene Musiktheoretiker’innen daran, ein gleichstufiges Stimmungssystem zu errechnen.

Fazit

Sie können Ihr Musikinstrument auf verschiedene Weisen stimmen. Dies gilt insbesondere für Saiteninstrumente, bei denen Sie die Spannung der Saiten selbst verändern. Bei anderen Instrumenten, wie Blasinstrumenten, legt die Bauform die Stimmung fest. Neben Experimenten mit Stimmungen sollten Sie unbedingt auch verschiedene Skalen ausprobieren, wie die Kirchentonarten.

Quelle

WOLFGANG AUHAGEN, Art. Stimmung und Temperatur in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 1998, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/114