Gänsehaut, Schüttelfrost, Kloß im Hals, Tränen? Musik hat die bemerkenswerte Kraft, tiefgreifende emotionale und sogar körperliche Reaktionen in uns hervorzurufen. Eine bemerkenswerte physiologische Reaktion, die als Gänsehaut, ästhetischer Schüttelfrost oder „Chills“ bezeichnet wird, ist ein Beweis für das fesselnde Zusammenspiel zwischen Musik, dem menschlichen Gehirn und dem Körper. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die spannende Wissenschaft, wie Musik Gänsehaut hervorbringen kann.

Was passiert im Gehirn bei Gänsehaut?

Mit einer musikalischen Gänsehaut gehen viele neurologische Prozesse einher. Die folgende Abbildung zeigt das limbische System im Gehirn, ein komplexes Netzwerk von Hirnstrukturen, welches eine Schlüsselrolle bei der Regulierung von Gefühlen, Gedächtnis und grundlegenden Überlebens-Instinkten spielt. Es umfasst unter anderem die Amygdala (links vom Hippocampus), den Hippocampus und den Hypothalamus, die zusammenarbeiten, um emotionale und verhaltensbezogene Reaktionen zu regulieren.

Die folgende Abbildung zeigt das limbische System im Gehirn, ein komplexes Netzwerk von Hirnstrukturen, welches eine Schlüsselrolle bei der Regulierung von Gefühlen, Gedächtnis und grundlegenden Überlebensinstinkten spielt. Es umfasst unter anderem die Amygdala (links vom Hippocampus), den Hippocampus und den Hypothalamus.

Musik und Gänsehaut im limbischen System. Grafik: Nucleus hydro elemon

Beim Erleben von Musik und Gänsehaut sind mehrere Hirnregionen im limbischen System beteiligt, die mit Emotionen, Belohnung, Vergnügen, Verstärkung, Motivation, Erregung und motorischen Prozessen in Verbindung stehen:

  • Das Belohnungszentrum (Striatum, Hippocampus, Amygdala) wird aktiviert. Die Aktivität der Amygdala intensiviert die emotionale Wirkung der Musik.
  • Dopamin wird im Nucleus accumbens ausgeschüttet. Das erhöht die Aufmerksamkeit und unterstützt die Gedächtnisbildung. Das Langzeitgedächtnis speichert auslösende Chill-Ereignisse (Altenmüller & Bernatzky, 2015).

Physiologische Begleiterscheinungen

Gänsehautmomente aktivieren zudem das sympathische Nervensystem und können je nach Intensität diverse physiologische Veränderungen verursachen:

  • Kloß im Hals
  • Schüttelfrost
  • Anstieg der Herzfrequenz und der Atmungsrate
  • Erhöhte elektrodermale Aktivität (Hautleitfähigkeit)
  • Vergrößerter Pupillendurchmesser
  • Schauer über dem Rücken
  • Erhöhter Blutdruck
  • Gesteigerte Schweißproduktion
  • Tränen

Welche Musik löst Gänsehaut aus?

Wie häufig und intensiv wir Gänsehaut erleben, kann von Person zu Person stark variieren. Emotionale Reaktionen auf Musik beruhen generell auf einer hochindividuellen Interaktion zwischen Hörer’innen, Kontext und Musik. Dennoch ist erwiesen, dass einige musikalische Merkmale besonders zuverlässig Chills auslösen (De Fleurian & Pearce, 2021):

  • Dynamische Veränderungen (Beispielsweise Crescendi)
  • Unerwartete strukturelle/texturelle Änderungen
  • Wahrgenommene Emotionalität

Darüber hinaus beeinflussen folgende Faktoren das Auftreten von Gänsehaut durch Musik zusätzlich:

  • Alter
  • Geschlecht
  • Persönlichkeit
  • Musikalische Ausbildung

Grewe et al. (2007) haben in einem Modell drei Bedingungen seitens der Empfänger’innen definiert, die erfüllt sein müssen, um eine Chill-Reaktion hervorzurufen:

Dieses Modell zeigt die Entstehung von musikinduzierter Gänsehaut.

Modell zur Entstehung von musikinduzierter Gänsehaut nach Grewe et al. (2007). Grafik: Melissa Steinbarth

  1. „Chill-Personality“: Die Persönlichkeit der Hörer’innen ist darauf ausgerichtet, einen ästhetischen Reiz wie Musik zu schätzen.
  2. Kontext und Familiarität: Die Hörer’innen sind mit dem Stil der dargebotenen Musik vertraut und befinden sich in einem geeigneten Hörkontext.
  3. Abkürzung durch Aufmerksamkeit: In manchen Fällen kann ein kräftiger Fortissimo-Ruf die Aufmerksamkeit auch von ungeübten Hörer’innen wecken, die normalerweise stärkere Reize als Musik benötigen. Nach Sloboda (1991) ist der „Barrabam-Ruf“ aus der „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach ein Beispiel für eine Abkürzung zur Aufmerksamkeit und damit zum Gefühl von Gänsehaut. Klicken Sie hier, um den Barrabam-Ruf auf Spotify zu hören.

Fazit

Zusammenfassend verkörpert eine musikalisch ausgelöste Gänsehaut die faszinierende Synergie zwischen Musik und dem menschlichen Gehirn. Die Freisetzung von Dopamin, die Aktivierung von Belohnungszentren und die emotionale Resonanz mit der Musik schaffen eine ganzheitliche Erfahrung, die sehr emotional und intensiv ist. Das Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen und der Eigenschaften von Musik und Gänsehaut kann uns helfen, die Kraft dieses spannenden Phänomens zu schätzen und zu nutzen.

Da auch der richtige Lautsprecher-Klang für das Gänsehaut-Erlebnis von Bedeutung ist, erfahren Sie in einem weiteren Artikel, wie Sie Lautsprecher richtig aufstellen.

Quellen zu Musik und Gänsehaut

  • Altenmüller, E., & Bernatzky, G. (2015). Musik als Auslöser starker Emotionen. In G. Bernatzky & G. Kreutz (Hrsg.), Musik und Medizin (S. 221 – 236).
  • Blood, A. J., & Zatorre, R. J. (2001). Intensely pleasurable responses to music correlate with activity in brain regions implicated in reward and emotion. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America98(20), 11818–11823. https://doi.org/10.1073/pnas.191355898
  • De Fleurian, R., & Pearce, M. T. (2021). Chills in music: A systematic review. Psychological Bulletin, 147(9), 890–920. https://doi.org/10.1037/bul0000341
  • Grewe, O., Nagel, F., Kopiez, R., & Altenmüller, E. (2007). Emotions over time: Synchronicity and development of subjective, physiological, and facial affective reactions to music. Emotion, 7(4), 774–788. https://doi.org/10.1037/1528-3542.7.4.774
  • Grewe, O., Nagel, F., Kopiez, R., & Altenmüller, E. (2007). Listening to Music as a Re-Creative Process: Physiological, Psychological, and Psychoacoustical Correlates of Chills and Strong Emotions. Music Perception, 24(3), 297–314. https://doi.org/10.1525/mp.2007.24.3.297
  • Mori, K., & Iwanaga, M. (2017). Two types of peak emotional responses to music: The psychophysiology of chills and tears. Scientific reports7, 46063. https://doi.org/10.1038/srep46063
  • Sloboda, J. A. (1991). Music structure and emotional response: Some empirical findings. Psychology of Music, 19(2), 110–120. https://doi.org/10.1177/0305735691192002